Foto: Ulla Bergob
Lieber Günther, nach Ihrem kurzweiligen und sehr informativen Abendvortrag in Korschenbroich „Gruppenleitung, Kommunikation und Persönlichkeitseinschätzung“(in Bezug auf die Mensch-Hund-Beziehung), haben Sie nun mindestens einen begeisterten Fan mehr;=)
Vielen Dank für das Feuer, das Sie versprühen und anfachen und dafür, dass man (who the fuck is Alice) die Dringlichkeit und das Drängen, sich zu engagieren auf eine so wunderbare Art vorgelebt sieht die ansteckend ist.
Abgesehen davon war es das humorvollste Seminar/Vortrag den ich je erleben durfte.
Und damit auch das Nachhaltigste.
Günther Bloch: Vielen Dank. Stets bemüht.
Jetzt sind Sie wieder zurück in Kanada und haben hoffentlich ein wenig Muße meine Fragen an Sie zu beantworten.
Woraus resultieren die Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen Mensch und Hund?
In erster Linie an zu wenig Zeit, an der oftmals chaotischen Körpersprache des Menschen und natürlich daran, dass, anstatt sich authentisch zu verhalten, Hunde nach irgendwelchen Modewellen, nur weil sie gerade hip sind, „erzogen“ werden sollen. Wichtiger wären beziehungsfördernde Dinge in den Vordergrund zu stellen wie beispielsweise viel gemeinsames Spiel, viel Einübung von Ritualen der Begrüßung etc.pp. Im Übrigen folgen Hunde demjenigen am Liebsten, der Charisma hat, einen durchdachten Lebensplan vorlebt, sich sozio-emotional kümmert und einbringt in eine Beziehung. Dann klappt die ganze „Erziehung“ schon fast von allein.
Was macht die Faszination des Wolfes für Sie aus?
Gegenfrage: Was kann man als Hundefreund nicht toll finden an Wölfen? Sie sind zwar knallhart territoriale Beutegreifer, aber dennoch: Sozialer und fürsorglicher geht es nicht mehr.
Wölfische Leittiere sind der Inbegriff unglaublichen Wissens und Persönlichkeit. Die ganze Panik, die derzeit um den Wolf in Deutschland verbreitet wird, ist einseitig gesteuert, purer Lobbyismus und soll bewirken, dass man ihn wieder abknallen kann.
Unser Aufklärungs-Buch ist jetzt übrigens raus:
Bloch, G. & E. Radinger: Der Wolf ist zurück: Was mache ich wenn
Welche Eigenschaft schätzen Sie am Hund/Wolf am meisten, die sie den Menschen sogar voraus haben?
Ich will mich ja nicht bei Menschen unbeliebt machen, aber meinen Sie die „moderne“ Form, die sich ständig in den Vordergrund Schiebende? Die Alleswissende und immer Recht-habende?
Ich glaube nicht, dass die derzeitig propagierte super-tolle Lebensweise der Individualität evolutionär langfristig überlebensfähig ist.
Wegweisendes familiäres Sozialverhalten leben Wolf & Co uns vor.
Von Kaniden können wir jede Menge lernen, wenn wir denn überhaupt wollen:
Fair Play, Empathie, Kooperation, Füreinander einstehen, Geschlossenheit demonstrieren…
Der Titel Ihres vorletzten Buches mit Elli Radinger: Affe und Wolf bringt schön auf den Punkt, dass es sich bei beiden Spezies um Tiere handelt. Eine Feststellung, die man viel zu oft vergisst. Welche Eigenschaften sind für den Mensch als Primaten besonders hervorstechend?
Menschen sind Säugetiere und aus naturwissenschaftlicher Sicht nichts Besonderes. Sie kommen sich nur enorm wichtig vor.
Primaten unterscheiden sich natürlich, von Subspezies zu Subspezies, von Individuum zu Individuum, aber im Vergleich zum Wolf sind sie tendenziös eher egoistisch, deutlich weniger kooperativ und eher auf den eigenen Vorteil bedacht.
Welche davon machen dem Hund am meisten Schwierigkeiten?
Hunde erwarten von uns Menschen Loyalität – das hebe ich besonders in Zeiten hervor, in denen es Tauschbörsen für „stellungsschwache“ Haushunde gibt und dann auch noch dreist und frech so getan wird, als ob das fachlich begründbar wäre.
Genetisch fixierte Rudelstellungen sind eine dümmliche Erfindung, um in einem massiv übersättigten Markt wie der Hundeszene schnell und viel Kohle zu machen.
Wenn Hunde sprechen könnten, was glauben Sie würden Sie dem Menschen als Erstes sagen?
Schönen Dank für Speis´und Trank.
Der Wolf ist in Deutschland wieder beheimatet. Ein Grund für viele sich zu freuen. Ein Erfolg im Naturschutz. Welche Rolle konnten Sie dabei spielen?
Der Wolf ist weder Engel noch Monster, gehört historisch in unsere deutsche Kulturlandschaft und macht das, wozu menschliche Jäger nicht im Stande sind:
Er hegt und pflegt unsere viel zu hohen Wildbestände.
Welche Gedanken möchten Sie Deutschland in Bezug auf den Wolf mit auf den Weg geben?
Der Wolf ist da. Er wurde nie ausgesetzt. Kein Mensch ist attackiert worden, kein Jogger angefallen worden. Er verhält sich ganz normal, ist auch tagsüber aktiv. Das sind Wölfe immer, wenn sie nicht bejagt werden. So wie hier im Banff NP.
Gefährlich sind sie deshalb nicht!
Man muss sich an die Präsenz des Wolfes erst wieder gewöhnen. In Italien leben deutlich mehr von ihnen als in Deutschland. Dort hat keiner Angst. Warum auch?
Was macht Kanada für Sie als Wahlheimat so reizvoll? Was vermissen Sie, abgesehen vom Kölsch, am meisten oder überhaupt?
Dass man über „Multi-Kulti“ nicht dumm rumlabert wie in Deutschland, sondern es lebt.
Hier muss man u.a. erst die Sprache lernen, wenn man in die kanadische Gesellschaft aufgenommen werden möchte. „Tolerant sein“, so wie es die Grünen großkotzig fordern, ist keine Strategie sondern nichts als eine hohle Phrase.
Und während man hier in Kanada zuerst diskutiert und dann praktisch angeht, was konkret geht und nicht wird in Deutschland alles bis zur Unkenntlichkeit zerredet bis nichts mehr geht. Nervig.
Vermissen tue ich eigentlich nur deutschen Kuchen. Aber den backt meine Frau ohnehin besser als jeder Industrie-Bäcker.
Was liegt Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten am Herzen?
Kaniden und ihre extrem flexiblen Anpassungsstrategien Schritt für Schritt besser kennenzulernen. Man lernt nie aus. Das ist spannender als jeder Krimi im Fernsehen.
Wo sehen Sie die größten Fehlentwicklungen in der Hundeszene?
Da halte ich mich mittlerweile raus. Am Ausleben von Wettbewerbsaggression habe ich kein Interesse. Sollen sie sich in der Szene doch via „Asi-shitstorms“ etc. auf total kontraproduktive Art und Weise die Schädel einschlagen.
Das eigentlich Schlimme: Das ganze Hauen und Stechen hat alles überhaupt nichts mit Hunden zu tun. „Alles wissen“ kann objektiv betrachtet nämlich niemand. Maulhelden gibt´s allerdings genug.
Meine Frau und ich leben nun in Canada.
Gottseidank. „What a country, eh!“
Oft fühlt sich der Hundebesitzer verloren in einem Dschungel aus Ratgebern, Hundetrainern aller Couleur, Beschäftigungsangeboten und Ratschlägen mit den verschiedensten sich oft diametral widersprechenden Philosophien und Glaubenssätzen. Was könnte ein hilfreicher Leitfaden sein?
Auch wenn das Geschrei nun wieder groß ist:
Unser nächstes Buch, das im April 2016 rauskommt: „Der Mensch-Hund-Code“ – selbstbewusst durch den Hunde-Djungel.
Der Titel sagt doch alles, oder?
Es geht in dem Buch vor allem darum, wie emotional instabile Hundehalter-innen lernen, sich gegenüber Scharlatanen und Schlaumeiern durchzusetzen.
Welche Beschäftigung empfinden Sie als die sinnvollste und passendste?
Schlicht und einfach mantrailing.
Das kommt dem Nasentier Hund sehr entgegen. Ansonsten mahne ich bei aller Begeisterung für Beschäftigung an, dass Hunde Pi mal Daumen vier Inaktivphasen a 1 ½ Std. brauchen.
Zum seelischen Ausgleich.
Es ist kanidenuntypisch, ständig und dauernd hyperaktiv durch die Landschaft zu rennen. Besonders aufgedrehte Hundeindividuen muss man bisweilen zur Ruhe zwingen.
Was könnte die Zukunft des Hundes auf gesellschaftlicher Ebene sein?
Das was er heute schon ist:
Vierbeiniges Familienmitglied.
Aufpassen muss man nur, dass er nicht vor lauter Qualzucht-Egoismus und konsequenzloser Entrüstung á la unbiologisches Rumgesülze zum Konditionierungsautomaten und Popanz des Menschen verkommt.
Das hat er nicht verdient!
Wieso halten sich längst überholte Erziehungstheorien –methoden so hartnäckig, trotz wissenschaftlicher öffentlicher Widerlegung?
Weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Ich beteilige mich grundsätzlich nicht an Methodenstreits.
Wissenschaft streitet übrigens. Zu Recht.
Was ist denn widerlegt, bzw. bewiesen?
Dass alles nur positiv und mit viel Trallalla geht?
Das ist eben mitnichten bewiesen!
Beim Vortrag in Köln sagten Sie, Sie würden alles zum Schutz des Wolfes in Deutschland tun, bis zum Letzten für sie kämpfen. Woher kommt Ihre tiefe Leidenschaft für diese oft so missverstandene Tierart?
Yep! Aus meiner Kindheit.
Und aus meiner tiefen Verbundenheit zur Natur, zu Flora und Fauna. Ich kämpfe nicht nur für Wolf oder Hund.
Ich kämpfe auch für Grizzlies, Raben, Kojoten, bzw. für den kanadischen Regenwald in B.C. mit seinen weißen „Spirit Bears“, Küstenwölfen, Seeotter u.s.w.
Meine Prägungsphase war Grzimek:
„Guten Abend, meine lieben Freunde“.
Und abseits dieses Themas logischerweise Loriot:
„Herr Müller-Lüdenscheid – lassen Sie sofort die Ente zu Wasser“.
Worunter leiden Haushunde/Familienhunde Ihrer Meinung nach am meisten?
An nervigen Menschen, die sie nicht Hund sein lassen wollen und ständig an ihnen herum manipulieren müssen, weil sie doch „ach so hilflos, zerbrechlich und gestresst sind“. Auf kanadisch: „Ridiculous“.
Welche Eigenschaft des Menschen stört Sie im Hinblick auf Hundehaltung am meisten?
Dass sie vorgeben zu wissen, was Hunde „glücklich macht“. „Glück ist keine Definition“, sagt Prof. Coppinger, „Drogen machen auch glücklich“.
Ich behaupte seit Langem, dass der Mensch immer natur-entfremdeter wird.
Darunter leiden Hunde. Immer häufiger. Leider.
Welche Forschungsrichtung ist Ihr nächstes Ziel?
Wir machen hier noch zwei Jahren Freilandforschung an Wölfen. Dann danke ich ab. Ohne Wenn und Aber. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die nicht aufhören können oder womöglich krampfhaft weiter referieren, vor nur noch ein paar Leuten.
Karin und ich leben in Canada. Bewusst.
Wir werden in den Yukon reisen, Richtung Arktis, wir werden Orkas gucken gehen und Adler im Sturzflug auf unsere hauseigenen Erdhörnchen beobachten und und und …
Welches Thema wird Ihrer Meinung nach noch zu oft vernachlässigt?
Dass so genannte „Tea Cup Dogs“ größtenteils nicht sozialisierbar sind.
Man sollte sie verbieten mit der Begründung:
Dinge, die die Welt nicht braucht.
So wie Paris Hilton.
Welche Frage würden Sie sich gern mal selber stellen und beantworten?
Ob die „moderne Gesellschaft“, die für jeden End68-er eine gruselige Entwicklung ist, in hundert Jahren noch existiert auf unserem immer noch wunderschönen Planeten Erde. Aber wir schaffen es schon als menschliche „Überflieger“, alles was schön ist, kaputt zu machen.
Deshalb haben Karin und ich uns ein Traumhaus gekauft, mit Riesengrundstück, in der kanadischen Prärie am Rande der Rocky Mountains mit Endlosblick.
Was will man mehr.
Da haben sich über 40 Jahre harte Arbeit doch gelohnt.
Fragen Sie mal unsere Hunde. Die finden so viel Landleben und Freiheit einfach nur super.
Lieber Günther,
kölsche Grüße nach Kanada!!
You´re welcome!! Have a nice day – wie Jon Bon Jovi so schön singt.




Kein Kommentar vorhanden