Liebe Elli Radinger,
Mit Spannung verfolge ich Ihre Projekte und Neuerscheinungen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen ein paar Fragen zu beantworten.
1.Sie sind neben Günther Bloch die bekannteste Wolfsforscherin Deutschlands. Sie hatten aber eigentlich ja Jura studiert und haben als Anwältin gearbeitet. Wie kam es denn zu dem Bruch und der Zuwendung zu den Wölfen?
Ich habe Anfang der 80er Jahre in meinem Spezialgebiet Luftverkehrsrecht keinen Job bekommen und dann eine eigene Anwaltspraxis aufgemacht. Das war extrem frustrierend und nichts, was ich für den Rest meines Lebens hätte tun wollen. Ich bin mit Hunden aufgewachsen und habe Wölfe schon immer geliebt. Also lag es nahe, mich auf den „Wolfsweg“ zu begeben.
2.Was mussten Sie für die Erfüllung Ihres Traums aufgeben?
Mein ganzes bisheriges Leben.
3. Was bedeuten Wölfe eigentlich für Sie?
Wölfe sind ein bedeutender Teil meines Lebens. Ich lerne täglich neu von ihnen. Und ganz realistisch gesehen verdiene ich mit Ihnen durch Bücher und Vorträge natürlich auch meinen Lebensunterhalt.
4. Was kann der Mensch vom Wolf lernen?
Ich habe vier „Wolfsregeln“ als Leitspruch, die ich mir habe schützen lassen und nach denen ich versuche, zu leben:
1. Liebe deine Familie,
2. sorge für die, die dir anvertraut sind,
3. gibt niemals auf und
4. hör nie auf, zu spielen.
5. Woher kommt eigentlich die Urangst der Menschen vor dem Wolf?
Die Angst vor dem Wolf ist kulturell bedingt. Naturvölker sehen den Wolf nicht als Feind, sondern als Verbündeten.
Menschen haben grundsätzlich vor allem Angst, was ihnen fremd ist und was sie nicht kontrollieren können. Unsere Hunde, in denen uns der Wolf ja eigentlich vertraut sein sollte, können wir kontrollieren, den Wolf nicht.
Außerdem ist der Wolf von je her der Nahrungskonkurrent des Menschen gewesen. Und wir alle sind mit Rotkäppchen aufgewachsen und nicht mit indianischen Sagen – leider.
6. Der Wolf ist endlich wieder in Deutschland heimisch. Wie kommt es zu den heftigen emotionalen Reaktionen der Bevölkerung? Welchen Umgang mit dem Thema schlagen Sie vor?
Im Moment ist die Situation ziemlich chaotisch – besonders bei den Bundesländern, die neu im „Wolfsgeschäft“ sind wie beispielsweise Niedersachsen. Ich bin der Meinung, dass sich die Lage erst einmal beruhigen muss. Wir müssen den Menschen Zeit geben, zu lernen, mit Wölfen zu leben. In vielen Ländern, in denen die Bevölkerung schon länger in der Nähe von Wölfen lebt, haben sich die Menschen entspannt, als sie gemerkt haben, dass es gar nicht so schlimm ist, wie es oft dargestellt wird.
Leider puschen die Medien und bestimmte Interessengruppen die Angst. Der größte Fehler, den eine Landesregierung machen kann, ist m.E. Jäger mit dem Wolfsmanagement zu beauftragen. Eine Interessengruppe, die sich offen gegen Wölfe ausspricht, damit zu beauftragen, sie zu schützen, das ist, als würde man den Fuchs beauftragen im Hühnerstall für Ordnung zu sorgen. Die Jäger spielen meiner Meinung nach ein gefährliches Spiel. Unter dem Mäntelchen des Naturschutzes und mithilfe ihrer politischen Freunde, lassen sie sich mit dem Management der Tiere beauftragen, die sie ablehnen. Da sehe ich schwarz für den Wolf.
7. Warum sind Sie nicht in die USA übergesiedelt, um den Wölfen noch näher sein zu können?
Weil ich sehr gerne in Deutschland lebe und überzeugte Europäerin bin. Ich habe das Glück, mir das Beste aus beiden Welten zu holen.
8. Welche Eigenschaften von Wölfen faszinieren Sie am meisten?
Ihr Familiensinn, ihre enorme Anpassungsfähigkeit und ihre Lust auf’s Leben.
9. Entdecken Sie den Wolf in Ihrer eigenen Hund Shira?
Ja, besonders dann, wenn sie mal wieder stundenlang in der Sonne döst.
10. Welches ist Ihr größter Glücksmoment mit den Wölfen gewesen?
Das ist immer wieder dann, wenn ich irgendwo in Yellowstone alleine im Gras sitze und ein Wolf läuft dicht an mir vorbei, sieht mich – und läuft dann ohne Furcht weiter. Als Mensch zur Abwechslung einmal in der Wildnis kein Störfaktor zu sein, ist ein großes Geschenk.
11. Woher nehmen Sie ihre Inspiration für Ihre Bücher?
Da Leben geschieht rund um uns herum und schreibt die schönsten Geschichten.
12. Wie sieht ein typischer Tag im Leben einer Wolfsforscherin aus?
Im Dunkeln aufstehen, frühstücken, Ausrüstung ins Auto und raus ins Lama Valley. Dann fahre ich zu den Orten, an denen sich meine Wölfe normalerweise aufhalten, oder ich erhalte per Funk von den Biologen Anweisungen. Ich stelle mein Spektiv auf und warte auf die Wölfe. Wenn sie da sind, notiere ich, wer was macht und genieße den Anblick. Manchmal beobachte ich auch bei -30° vier Stunden lang schlafende Wölfe. Abends im Dunkeln wieder in die Blockhütte zurück.
Liebe Elli, ich danke Ihnen sehr für dieses Interview!
Nina Morgenstern
Webseiten:
Autorenseite mit Wolfsbüchern: www.elli-radinger.de
Wolf Magazin mit monatlichem Newsletter: www.wolfmagazin.de
Google+ mit aktuellen Wolfsmeldungen: https://plus.google.com/u/0/+ElliHRadinger/
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