Weil Nähe keine Worte braucht
Ich treffe mich heute mit Änne Türke von den Alexianern in Köln zum Eignungstest für Besuchshunde für Menschen mit Demenz. Das 2009 ins Leben gerufene Angebot 4 Pfoten für Sie eröffnet Demenzkranken und deren Angehörigen eine neue Art der Begegnung von Patient und einem Mensch-Hund Team.
„Wir haben 20 Plätze, die wir vergeben können und erfreulicherweise haben sich diesmal insgesamt schon 26 Mensch-Hund Teams beworben.“
Über so einen regen Zulauf freuen wir uns riesig.

Foto: Vier Pfoten für Sie
Das 4 Pfoten für Sie Team besteht aus Änne Türke, der Projektleiterin, Michael „Atze“ Nehmann, dem Hundetrainer für alle Felle der Hundeschule Happy dogs – Happy people, Ute Assmacher-Becker und Victoria Dahm, den Besuchsdienst-Koordinatorinnen. Hier werden Kompetenzen sinnvoll gebündelt und im Dienste der Besuche für Menschen mit Demenz gestellt.
Demenz in all seinen verschiedenen Erscheinungs- und Ausprägungsformen ist eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft. Neben dem Betroffenen selbst leiden besonders die Angehörigen unter der Krankheit und den Aufgaben und der Verantwortung, die diese mit sich bringt.
Die Alexianer schließen mit ihrem Angebot Besuchsdienst mit Hund für Demenzkranke eine große Lücke:
Kontakt mit der Außenwelt für den Erkrankten und Ansprache auf einer Ebene, die instinktiv und intuitiv funktioniert in Verbindung mit dem Tier Hund.
Da wo Menschen in ihrer Kommunikation begrenzt sind kann der Hund eine Erweiterung des Kommunikationsraumes ermöglichen.
Ein Hund kann die Patienten so selbst da noch erreichen, wo die zwischenmenschliche Begegnung nicht mehr möglich ist.
Bei all dem Fokus auf den Hund spielt der Mensch aber auch hier die entscheidende Rolle. Er muss nicht nur seinen Hund sehr gut kennen, um ihn einsetzen zu können, er muss auch sensibel auf die jeweilige Situation mit dem Demenzkranken eingehen können. Empathie und Management gehören zu den Kernkompetenzen, die bei den Besuchen gefragt sind. Denn nicht jede Begegnung läuft gleich ab. Zieht sich der Hund zurück oder ist dem Kranken nicht nach Kontakt mit dem Hund, muss der Ehrenamtliche einspringen können und sich mit dem Kranken beschäftigen.
Damit diese Herausforderung von allen Beteiligten gemeistert werden und für alle schöne Momente und ein Gewinn sein kann haben Änne und ihr Team ein ganzheitliches Konzept entwickelt, das beispielgebend in der tiergestützten Arbeit ist.
Der wichtigste Punkt ist wohl der, dass die Besuche langfristig und auf Einzelpersonen ausgerichtet sind. Eine gründliche Vorauswahl der möglichen passenden Besucher erfolgt individuell. Die Koordinatorinnen suchen das passende Hund-Mensch Besucherteam zum Demenzkranken aus. Dazu werden dieser und seine Angehörigen genau nach ihren Wünschen befragt und eine Einschätzung gemacht.
Ist der Patient aktiv, passiv, möchte er Spaziergänge machen, ist er eher jemand, der Nähe möchte oder der Distanz bevorzugt u.v.m. sind alles wichtige Punkte, die vorher geklärt werden.
Der Hund muss zum Demenzkranken passen, das ist die Voraussetzung für eine gute Beziehung.
4 Pfoten für Sie gibt keine Besuchsdauer vor, denn die Länge eines Besuches allein ist kein maßgebliches Qualitätsmerkmal für die Begegnung.
Die Ehrenamtlichen werden nachhaltig auf die Anforderungen dieses Jobs vorbereitet. Allein 40 Stunden werden für die Aufklärung über die Krankheit Demenz und die Besonderheiten im Umgang mit betroffenen Menschen veranschlagt.
Dazu kommen nach der Vorauswahl der Hund-Mensch Teams die Prüfung zum Hundeführerschein, der von einem Hundetrainer aus dem Berufsverband der zertifizierten Hundetrainern abgenommen wird.
Für die Beziehung zwischen Hund und Halter werden hohe Maßstäbe angesetzt, fern von Ideologien wird hier beim Hundeführerschein reines Wissen abgefragt. Als Voraussetzung für den Hund können folgende Punkte zusammengefasst werden:
Der Hund sollte stressresistent und souverän sein, aufs Wort hören und sich eng an seinem Menschen orientieren, um den Herausforderungen mit einem Demenzkranken Menschen gewachsen sein zu können.
So kommt es, dass Mensch-Hunde Teams auch abgelehnt werden, wenn sie den Anforderungen nicht entsprechen. Das passiert ab und zu und ist dann besser für alle Beteiligten und gibt den Abgelehnten auch durch konstruktive Kritik die Möglichkeit, sich für das nächste Mal vorbereiten zu können. Manchmal sind aber auch die Hunde schlichtweg nicht für diese Aufgabe geboren und der Kontakt zu Demenzkranken würde sie überfordern.
Eine Ablehnung ist manchmal schwer zu akzeptieren, da sich der Bewerber ja zum Helfen anbietet. Trotzdem steht der Schutz des Hundes und des Demenzkranken an erster Stelle.
Nicht beliebige Hilfe ist zielführend, sondern nur die achtsame und geleitete Unterstützung. Das Team von 4 Pfoten für Sie ist als allererstes den Patienten gegenüber in der Pflicht verantwortungsbewusst das bestmögliche Hund-Mensch Team zu finden.

Foto: Vier Pfoten für Sie
Ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Therapiehundangeboten ist
auch, dass sich das Team von 4 Pfoten für Sie genauso um das Wohl der Hunde kümmert, wie um das der Menschen.
Das ist nicht genügend zu betonen, da man häufig beobachten kann, dass es gang und gäbe ist, dass in Altenheime Hunde einfach mitgebracht werden können, ohne Prüfung oder Aufklärung und dort regelrecht verheizt werden. Wie anstrengend diese Arbeit für die Hunde ist, muss sich der Mensch in seiner Euphorie helfen zu wollen immer wieder bewusst ins Gedächtnis rufen. Dazu muss er das Wissen über Überforderung beim Hund und die dazugehörigen körperlichen Anzeichen kennen.
Der Tierschutz wird bei 4 Pfoten für Sie riesengroß geschrieben.
Das Team bietet nicht nur Unterstützung und Hilfe in der Organisation der Besuche, sondern fungiert auch als Beobachter, der im Zweifelsfall zum Wohle des Hundes eingreifen kann und Tipps gibt. Somit hat auch der Hund einen „Wächter“ an seiner Seite.
Die Hunde werden bei 4 Pfoten für Sie niemals zu Kontakt gezwungen, genauso wenig übrigens wie der Demenzkranke selbst. Der Kontakt ist also von beiden Seiten freiwillig. Das ist deshalb wichtig, da Menschen oft eine teils überzogenen Erwartungshaltung gegenüber den sozialen Diensten an den Tag legen, und dann ein Druck auf die Beteiligten ausgeübt wird, da man sich ja wünscht, dass der Hund dem Mensch gut tut. Man verspricht sich einen großen Nutzen vom Kontakt zum Hund. Da wo Nutzen ist, ist Missbrauch oft nicht weit entfernt, warnt Änne.
Zu oft musste sie beobachten, wie Angehörige oder Pfleger dem Demenzkranken zum Hund hin drängeln, um dann den heilsamen Kontakt herzustellen. „Da muss man dazwischengehen“, meint sie, „sanft aber bestimmt.“ Druck ist nicht Sinn und Zweck der Sache, oft können dadurch heilende Momente sogar verhindert oder verzögert werden.
Ziel der Besuche ist eine generelle Bereicherung und eine Steigerung der Lebensqualität, Animation und Motivation geistiger, motorischer und sozialer Aktivität. Verbesserung der Sprachfähigkeit und nicht zuletzt eine Eröffnung der Möglichkeit aus der erlernten Hilflosigkeit zu treten.
Freude ist meist ein Haupteffekt, den der Kontakt zum Hund hat. Oft ist auch ein erhöhter Pflegetrieb zu beobachten, die Demenzkranken vergewissern sich oft sehr engagiert, wie es um das Wohlbefinden des vierbeinigen Besuchers steht und ob man ihm nicht doch noch dringend füttern müsse.
Für die Ehrenamtlichen umgekehrt kann der Kontakt mit Menschen mit dieser Krankheit ebenso Vorteile bringen: Der erste ist natürlich der, dass man selbst spürt, dass man etwas bewirken kann und durch die Kontakte den Fokus auf das Hier und Jetzt vermittelt bekommt, denn Demenzkranke leben nur im Jetzt. So irritierend, wie das anfangs sein kann, so heilsam kann es für den Ehrenamtlichen sein, der sich so auch mehr auf das Hier und Jetzt einlässt und dadurch vielleicht auch in der alltäglichen Hektik etwas Ruhe findet.
Die Chemie muss stimmen zwischen allen drein.
Wenn die stimmt, können kleine Wunder passieren. Änne lächelt: Wie das mit der Dame, die seit Wochen nicht gesprochen hat und beim Eintreffen ihres Besuchshundes anfängt von früher zu erzählen. Oder Menschen, die wieder körperlich aktiv werden und mit dem Besuchsteam Spaziergänge unternehmen. Oder aber auch die Verbesserung motorischer, kognitiver Fähigkeiten.
Das Selbstvertrauen wird gestärkt und oft werden Erinnerungen lebendig.
Diese Erfolge sind Ännes Antrieb und die Motivation aller, die sich bei 4 Pfoten für Sie für Menschen mit Demenz stark machen.
Zusätzlich bietet das Team den oft überforderten Angehörigen eine Atempause im betreuerischen und pflegerischen Dauereinsatz. Es bietet auch eine Anlaufstelle für alle, die Informationen rund um das Thema benötigen. Das Netzwerk wissen die Angehörigen und Betroffenen sehr zu schätzen.
Und noch etwas ist eine Erleichterung für die Familien mit Demenzkranken:
Die Kosten für die stundenweise Betreuung durch den Besuchsdienst können von der Pflegekasse übernommen werden!
Entgegen der Annahme, dass sich vorrangig ältere Menschen für das Ehrenamt interessieren ist eine regelrechte Verjüngung festzustellen. Berufstätige, mitten im Leben stehende Frauen und oftmals Mütter stellen zu 90% die Gruppe der Ehrenamtlichen dar.
Bewundernswert, dass sie neben Job, Familie und Hundebetreuung noch Zeit freischaufeln, um ihren Demenzkranken schöne Stunden zu schenken.
Männer sind leider sehr rar, was schade ist, da die männlichen Demenzkranken sich oft auch einen Mann als Gesprächspartner wünschen.
Als Beweggründe geben alle –die Ehrenamtlichen und das Team von 4 Pfoten für Sie– an, dass sie anderen Menschen etwas nachhaltig Gutes tun wollen.
Nina Morgenstern
Ihr möchtet das Projekt durch eine Spende unterstützen? Prima!
Alexiander Köln GmbH
Stichwort: „4 Pfoten für Sie“
Bankverbindung: Darlehenskasse Münster eG
BLZ: 400 602 65
Konto-Nr: 17 559 900
BIC: GENODEM1DKM
IBAN: DE 92 4006 0265 0017 559900
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